Das Buch Hiob ist eine Erzählung mit einer Einleitung (1,1-2,13), einem Hauptteil (3,1-42,6) und einem Schluss (42,7-17). Der Hauptteil besteht aus Dichtung, die drei Dialoge und drei Monologe wiedergibt. Gliedern lässt sich der Hauptteil anhand der verschiedenen Dialoge und Monologe. Zunächst spricht Hiob mit seinen drei Freunden, wobei es sich da schnell zu einem Streitgespräch entwickelt. Das Gespräch zieht sich über drei Zyklen hin, wobei im letzten nur noch zwei der drei Freunde zu Wort kommen: 3-14; 15-21; 22-27.
Wahrscheinlich um den Leser nach dem Streitgespräch zu orientieren, fügt der Verfasser in Kapitel 28 seinen eigenen Kommentar ein. Er macht deutlich, dass weder die drei Freunde noch Hiob die Weisheit erkannt haben. Weisheit hat allein Gott, und der Mensch tut gut daran, dies anzuerkennen. Er bereitet seine Leser darauf vor, dass Gott noch zu Hiob reden wird. Darauf folgen drei Monologe: In 29-31 besteht Hiob darauf, dass er gerecht ist und fordert Gott auf, ihn endlich zu töten oder aber seine Gerechtigkeit anzuerkennen.
Danach (32-37) hält ein gewisser Elihu eine Rede, in der er die drei Freunde und Hiob anklagt, sie hätten alle nicht in Weisheit gesprochen. Er selbst zeigt aber in seinen Ausführungen, dass er nicht viel weiser ist. Gleichzeitig leitet er mit seinen Themen, in denen er den Dialog zusammenfasst und Gottes Gerechtigkeit und Allmacht in der Schöpfung hervorhebt, ungewollt zur Rede Gottes über.
Schließlich spricht Gott selbst zu Hiob (38-41), indem er nicht seine Fragen beantwortet, sondern selber Fragen stellt, die Hiob nicht beantworten kann. Hiob antwortet Gott nur zweimal, indem er ihm Recht gibt, seine Weisheit und seine Herrschaft anerkennt (40,2.3; 42,1-6).
Das Buch Hiob verfolgt mehrere theologische Ziele:
1) Es macht klar, dass Leiden nicht immer auf persönliche Sünden zurückzuführen sind. Ein Weltbild, in dem behauptet wird, dass Gott es den Frommen immer gut gehen lässt und den Gottlosen schlecht, greift zu kurz.
2) Es weist darauf hin, dass Menschen nicht genug Weisheit haben, um Gottes Gerechtigkeit und Herrschaft angemessen zu beurteilen.
3) Es lehrt, dass Gott frei ist gegenüber den Geschöpfen. Er ist nicht verpflichtet, alle Bösen sofort zu strafen, sondern kann ihnen gegenüber geduldig sein und sie für seine höheren Zwecke gebrauchen. Er ist nicht verpflichtet, den Frommen Segen zu erweisen. Wenn er es tut, ist es Ausdruck seiner Gnade. Gott kann auch den Frommen eine Zeit lang leiden lassen, um ihn im Glauben zu prüfen und heranreifen zu lassen.
4) Nicht zuletzt verdeutlicht es, warum die Frommen eigentlich Gott dienen: Nicht weil sie von Gott Gaben empfangen, sondern weil sie ihn selbst lieben und die Gemeinschaft mit ihm über alles andere begehren. Hiob wird nicht deswegen von Leiden heimgesucht, weil er gesündigt hat, sondern weil Gott in der Auseinandersetzung mit dem Satan prüft und ans Licht bringt, dass Hiob Gott um Gottes willen dient.
5) Schließlich ruft das Buch Hiob den Leser auch dazu auf, Gott in seiner Allmacht, Weisheit und Gnade zu vertrauen. Gott gibt uns über sich und seine Herrschaft in der Welt das zu erkennen, was er für ausreichend hält, damit wir ihm vertrauen können. Darüber hinaus sollen wir anerkennen, dass Gott und sein Walten in der Welt über unseren Verstand hinausgehen. Zudem ist Gott frei uns gegenüber, das heißt er ist uns keine Rechenschaft schuldig. Warum Gott solches Leid, welches keine Strafe für Sünde ist, zulässt und für seine Zwecke gebraucht, diese Frage darf nicht in der Weise angegangen werden, dass alles Leid auf Sünde zurückgeführt, Gottes Allmacht in Zweifel gezogen oder seine Gerechtigkeit in Frage gestellt wird.
(c) Jörg Wehrenberg, mit freundlicher Genehmigung // Bild: Statue „Hiob“ von Gerhard Marcks (1957) vor der St.-Klara-Kirche, Nürnberg; Foto: Andreas Praefcke/Wikimedia Commons