Begegnung mit den Verfolgten: Wie kam die Bibel zu uns?

Bibel

Ich brauche die Begegnung mit den Verfolgten, weil … sie mich herausfordern, die Schuld gegenüber den großen heldenhaften Taten meiner eigenen geistlichen Vorfahren zu erkennen.

Es war in den frühen 80er Jahren in einem Dorf in der Tschechoslowakei, als ich gerade dem Pastor einer ländlichen Gemeinde eine Bibel in seiner Muttersprache überreichte. Sie war in Leder gebunden, mit einem goldenen Reißverschluss, und es war die erste komplette Bibel, die er in seinen Händen hielt. Ich erinnere mich, wie er an ihr roch, sich über den Geruch des Leders wunderte, spielte mit dem Reißverschluss und war fast zu ängstlich, um die dünnen wertvollen Seiten zu berühren.

Dann sprach er zu den Mitgliedern seiner Gemeinde. Er zeigte auf mich und sagte: „Dieser Herr ist euer heldenhafter geistlicher Vorfahre. Jedes Mal, wenn die Bibel in eine Kultur hinein kommt, stellt sie eine Bedrohung dar und erfährt Gegnerschaft. Deshalb braucht es Männer und Frauen, die alles riskieren, um sie uns zu bringen. Dieser Mann ist solch ein Risiko eingegangen.“

Ich war beschämt, doch er fuhr fort und sagte: „Die Bibel kam auch in deine Kultur. Und sie war auch eine Bedrohung. Sage mir, wer sind deine geistlichen Helden der Vergangenheit?

Ich schäme mich zu sagen, ich hatte keine genaue Vorstellung davon wer diese Männer in meinem Land, in Großbritannien, waren. Vage erinnerte ich mich an die Namen John Wycliffe und William Tyndale, aber ich konnte mich an keine Details erinnern. So kehrte ich zurück in mein Land mit der Herausforderung, in meinen Ohren nachklang: „Finde die Geschichte heraus, wie die Bibel zu euch kam und du wirst deine geistlichen Helden der Vergangenheit entdecken.

Was für eine dramatische Geschichte, die ich dabei entdeckte. Eine Geschichte voll von Spionen, Morden, und politische Machenschaften. Dies ist nicht der Platz um in Details zu gehen, aber ich lernte sehr viel über John Wycliffe, den Mann, der in den Jahren um 1300 die Bibel zum ersten Mal in die englische Sprache übersetzte, als die meisten Kirchenmänner nicht einmal die 10 Gebote auswendig zitieren konnten.

Wycliffe formierte einen Kader von „Guerilla Predigern“ – bewaffnet mit einer von Hand abgeschriebenen Version der Bibel – deren Ziel es war, das wahre Wort Gottes im Land zu verbreiten. Die meisten wurden gefangen genommen. Die Bibel wurde vom Parlament beschlagnahmt. Wycliffe starb durch einen Schlaganfall. Auch nach seinem Tod ließ man ihn nicht in Ruhe.

Im Jahr 1428, wurden seine Gebeine vom heiligen Boden entfernt, und unter der Aufsicht des Erzbischofs von England wurde seine Asche von der Brücke in den Fluss Swift, einem Nebenfluss des Flusses Avon gestreut. Aber eine Weissagung stand auf:

„Der Avon geht zum Severn,
der Severn geht zum Meer,
und Wycliffs Staub soll in alle Lande gestreut werden,
soweit wie die Wasser gehn.“

Dies wurde wahr im 16. Jahrhundert mit William Tyndale, der von der Erfindung der Druckerpresse profitierte. Er sagte zu einem Kirchenmann, der ihn von der Aufgabe des Übersetzens abbringen wollte, „In vielen Jahren, wird der Junge, der den Pflug zieht, mehr über die Bibel wissen, als du.“

Er musste England verlassen und wie sich herausstellte, kehrt er nicht mehr zurück. Es war im Jahr 1524, er war erst 29 Jahre alt, als er sich in Köln, Deutschland, niederließ, und im Jahr 1526 schmuggelte er 6000 englische Bibeln nach Großbritannien. Die ganze britische Marine war in Alarmbereitschaft, und Schiffe wurden angehalten und durchsucht. Anfänglich waren es zehn, doch bald waren es Hunderte von Bibeln, die durchkamen.

Der Bischof von London versuchte es mit einer anderen List. Er dachte daran, über einen Vermittler die ganze Auflage an Bibeln aufzukaufen. Seine Absicht war alle Bibeln zu verbrennen. Tyndale hörte davon und schloss den Kauf ab, indem er sich sagte, „Oh, er wird sie verbrennen. Aber ich bin der Glückliche, denn ich werde das Geld von den Büchern bekommen, und die ganze Welt soll darüber aufschreien, dass das Wort Gottes verbrannt wird“.

Und so kam es. Der Bischof verbrannte die Bibeln, und Tyndale benützte das Geld um seine Übersetzung zu verbessern und mehr Bibeln zu drucken – alles auf Kosten der Kirche. Tyndale´s Arbeit erbrachte 85 Prozent der King James Bibel. „Das Geräusch der neuen Bibel echote durch das ganze Land“, sagte Tyndale. Die Bibel hatte Taschenbuchgröße, war leicht zu verstecken, und war bald überall zu finden.

Die theologischen Schwergewichte der Kirche protestierten dagegen. Thomas More sagte verächtlich dazu „das Feuer des Wortes Gottes in die Sprache des einfachen Bauern legen.“ Tyndale wurde von Meuchelmördern gefangen genommen, und dann im August des Jahres 1536 wegen Ketzerei erhängt und verbrannt. Seine letzten Worte waren:“ Herr, öffne den Königen von England die Augen.“

Dieses Gebet wurde bald erhört und die englische Reformation wurde angeheizt durch eine Flut von Übersetzungen. Die „Coverdale“ Bibel (übersetzt von einer deutschen Bibel) im Jahr 1535 war die erste legale Bibel. Im Jahre 1537 wurde die Matthäus Bibel veröffentlicht, eine Mischung der Tyndale und der Coverdale Bibel. Dann im Jahre 1539 kam die große Bibel, die in jeder Kirche zu finden ist. Drei Bibeln in sechs Jahren. Er waren so viele, dass König James im Jahr 1611 eine spezielle Standard-Version autorisieren musste.

In dieser Weise haben die Verfolgten mich angespornt in neuer Weise eine Verbindung mit meinen geistlichen Vorfahren herzustellen und sie zu respektieren. Wir dürfen sie nie vergessen!

Als der Erzbischof von Canterbury, Dr. George Carey, im Jahr 1994 China besuchte, ermahnte er die Bibelschmuggler und bezeichnete sie als „Problemverursacher“. Nach seiner Rückkehr nach Großbritannien informierte ihn die Presse, dass er diese Aussage am 400sten Jubiläum der Geburt von William Tyndale gemacht hatte. Glücklicherweise war er vorsichtig genug, um den gleichen Fehler während seiner Amtszeit als Erzbischof nicht mehr zu wiederholen.

Die Welt braucht immer noch Leute wie Tyndale. Wer weiß, vielleicht werden du oder ich einmal zu solch einem berühmten Dienst berufen.

Quelle: Open Doors